Heute wäre Willibald Kreß 100 geworden...
13.11.2006
13.11.2006
Heute auf den Tag genau vor 100 Jahren wurde Willibald Kreß, der erfolgreichste Torwart der Dresdner Fußballgeschichte, geboren. Wenn man sich über die Spieler unterhält, die den Dresdner SC vor über einem halben Jahrhundert zu Ruhm und Ehre führten, fallen vor allem drei Namen: Richard Hofmann, Helmut Schön und Willibald Kreß. Der „Dresdner Zamora“ zählte zu den vier besten Torhütern der Welt und galt aufgrund seiner Beliebtheit als „der schöne Willi“ auch als erster „Sonnyboy“ des deutschen Fußballs, als Frauenschwarm.
Willibald Kreß, der am 13. November 1906 in Frankfurt am Main geboren wurde, schulte seine Reflexe auch im Handball-Tor des Dresdner SC und konnte sich kein besseres Training vorstellen. Der ehemalige Nationalspieler und DSC-Meister-Trainer Georg „Schorsch“ Köhler nannte Willibald Kreß einmal einen „Jahrhundert-Fußballer, der keinerlei Angst kannte und den Stürmern lehrte, was Verzweiflung ist“.
27 Jahre lang spielte Willibald Kreß in der obersten Spielklasse. Es war kein Zufall, dass er schon früh mit dem Fußball in Berührung kam, lag doch die Wohnung seiner Eltern genau gegenüber dem Sportplatz des FV Amicitia 1901 Frankfurt-Bockenheim, dem späteren SC Rot-Weiß Frankfurt. Dort fing er 1917 an und stand schon als 15-Jähriger im Tor der 1. Mannschaft. Eigentlich wollte er lieber als Mittelstürmer Tore schießen, aber als Torwart war er noch besser. „Keiner arbeitet so sicher mit den Händen, greift so weich nach den Bällen“, war Jahre später in einer Zeitung über ihn zu lesen.
Einmal musste Willibald Kreß in seiner Laufbahn gleich neunmal hinter sich greifen, 1931 mit seinem SC Rot-Weiß Frankfurt eben gegen den DSC, was für ihn mitentscheidend zum späteren Wechsel nach Dresden war. 1932 wechselte er notgedrungen aber erst einmal zum französischen Erstligisten FC Mulhouse, nachdem er vom DFB wegen verbotenem „Berufsspielertums“ seines Vereins für ein Jahr vom deutschen Spielbetrieb ausgeschlossen wurde.
Im August 1933 war er wieder in Deutschland, nun in Dresden statt in Frankfurt. 60 000 Menschen im DSC-Stadion im Ostragehege jubelten Willibald Kreß bei seinem ersten Einsatz im DSC-Gehäuse zu. Der Dresdner SC schlug dabei den amtierenden Deutschen Meister Düsseldorfer TSV Fortuna 1895 mit 4:1. Zwischen 1934 und 1944 stand er bei 39 Endrundenspielen um die Deutsche Meisterschaft im Kasten des Dresdner SC, mehr Einsätze als jeder andere DSC-Spieler. Im mohnroten DSC-Trikot konnte er zwei Deutsche Meisterschaften (1943 und 1944) und zwei Deutsche Pokalsiege (1940 und 1941) feiern.
Willibald Kreß, von Beruf Kaufmännischer Vertreter, absolvierte im Zeitraum von 1929 bis 1934 16 Länderspiele für die deutsche Nationalmannschaft. Bei der Weltmeisterschaft 1934 belegte das deutsche Team mit ihm im Tor den dritten Platz. Er spielte auch repräsentativ für Sachsen und später Süddeutschland. 1936 und 1941 gewann er mit der sächsischen Gau-Auswahl den Reichsbundpokal.
Dem Drängen der Nazi-Bonzen zum Eintritt in die NSDAP widerstand er ebenso wie alle anderen DSC-Spieler. Ihn und Helmut Schön wollte man sogar in die SS abkommandieren, aber beide Spieler blieben auch hier standhaft ihren humanen Idealen treu. Nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft ging er zum FSV Frankfurt 1899 und ließ dort bis 1950 im Alter von 44 Jahren seine aktive Karriere ausklingen.
1948 absolvierte Willibald Kreß an der Kölner Sporthochschule das Sportlehrer-Examen mit der Note „sehr gut“. Daraufhin wurde er 1949 der erste Verbandstrainer von Hessen und trainierte anschließend vier Jahre lang den FSV Frankfurt 1899. Später war er beim Wuppertaler SV und beim VfR Wormatia Worms 08, ab 1961 dann beim VfB 1900 Gießen, bei der SG Eintracht 05 Wetzlar, beim SV Eintracht 1920 Lollar und beim VfR 1920 Lich als Trainer beschäftigt. Sein speziell entwickeltes Torwart-Training war stark gefragt. Selbst als 71-Jähriger trat er noch als Referent für Torwart-Training auf.
Was auch immer man von Willibald Kreß liest und hört, es sind durchweg solch positive Bezeichnungen wie „Extraklasse“, „Gazelle“, „elegant, flink und immer souverän“ und „ein großartiger Gentleman des Fußballs und des Lebens“. Große Sympathie errang Willi Kreß auch durch seine lockere Art, trotz der er dennoch immer Herr der Lage war. Seine Präzision im Kopfballspiel – zu gerne nahm er seine Mütze ab und köpfte den Ball aus der Gefahrenzone – ist gleichermaßen legendär wie seine Reflexe. Laut Helmut Schön war Willibald Kreß der beste Torhüter, den Deutschland je hatte.
In den 80er Jahren erlitt er einen Schlaganfall, der Lähmungen an der linken Hand nach sich zog. 1983 wurde er bei einem Auto-Unfall verletzt und verlor schließlich auch noch seine Frau. Dennoch bewahrte er sich seine positive Lebenseinstellung. Willibald Kreß verbrachte seine letzten Lebensjahre in einem Gießener Altersheim, eine Bleibe, die ihm der damalige DFB-Generalsekretär Hans Paßlack vermittelte.
„Schade, dass Willibald Kreß nicht mehr erleben durfte, wie sein DSC nach der Wende zu neuem Leben erwachte“, so Andreas M. Tschorn, Vereinsarchivar des Dresdner SC. „Er blieb Dresden stets verbunden und reiste u. a. am 8. Februar 1971 zum 65. Geburtstag von Richard Hofmann in die damalige DDR.“ Auch heute noch ist Willibald Kreß beim Dresdner SC unvergessen. Am Samstag erinnerte die DSC-Stadionzeitschrift unter dem Motto „100 Jahre Willi Kreß“ an die außergewöhnliche Laufbahn des besten Dresdner Torwarts aller Zeiten.
Willibald Kreß starb am 27. Januar 1989 in Gießen an den Folgen eines erneuten Schlaganfalls. Sein ehemaliger DSC-Kamerad Heinz „Heiner“ Schaffer erinnerte sich im Nachruf an ihn: „Willi Kreß war ein Tormann, den es nur alle paar Jahrzehnte gibt. Es war für uns der Abschied einer Fußball-Epoche, geschrieben vom alten Dresdner Sport-Club, einem von Kameradschaft geprägten Club, der bis heute seine Faszination behalten hat. Ob jemals so etwas wiederkommt, ich glaube kaum…“