In unserer Serie über die DSC-Geschichte ab 1990 geht es heute mit den Jahren von 2004 bis 2006 weiter. Nach der DSC-Wiedergründung 1990 ging es rasant bergauf bis zur Nummer 1 der Stadt Dresden und zur Vizemeisterschaft in der 3. Liga. 2003 folgt der Absturz aus der Regionalliga und nur eine Saison später der erneute Abstieg aus der Oberliga. Nun geht’s um die beiden Landesliga-Saisons und dabei unter anderem um den Klassenerhalt dank Rückzug, Trainer ohne Training, Polizeikessel in Liga 5, das Insolvenzverfahren des DSC Fußball 98, eine Neugründung als Auffangbecken und vor allem riesengroße Existenzsorgen. Dennoch viel Spaß beim Lesen!
Saison 2004/05 (Landesliga Sachsen)
Die erste spannende Geschichte rankt um den Trainerposten. Wir erinnern uns kurz: Oberliga-Coach Detlev Zimmer wurde kurz vor Saisonende vor die Tür gesetzt. Geschäftsführer Michael Krämer übernahm interimsweise (und das sogar recht erfolgreich) und man schaute sich nach einem Neuen um. Noch vor Saisonende gab der Verein bekannt, mit Hans-Jürgen Nünchert einen neuen Trainer gefunden zu haben. „Eine reizvolle Aufgabe“, sagte Nünchert gegenüber der Sächsischen Zeitung, aber auch: „Ich hoffe, dass ich bis zum Trainingsstart am 29. Juni wenigstens 14, 15 Spieler im Kader habe.“ Doch die Geschichte des von der zweiten Mannschaft des FV Dresden-Nord zum DSC gekommenen Coaches wird keine lange. Denn noch vorm ersten Training warf er das Handtuch: „Die Versprechungen im Vorfeld entpuppten sich als Schall und Rauch.“, so „Hansi“ Nünchert gegenüber der SZ.
Für ihn rückte mit Jens Wagner der Coach der DSC-Zweiten auf. Im Prinzip auch logisch, hat er doch viele der Perspektivspieler des Vereins bereits betreut. Ihm zur Seite steht Co-Trainer Uwe Helwig. Nach dem großen Umbruch im Vorjahr geht es nun weiter und der DSC konzentriert sich auf die vorhandenen Nachwuchsspieler sowie Spieler aus der 2. Mannschaft. Es verbleiben nur sieben oberligaerfahrene Kicker im Kader. Neben den „jungen Wilden“ gibt es aber auch drei Rückkehrer mit viel Erfahrung. Nikica Maglica (39 Jahre alt) agiert als Libero, René Groß (37 Jahre) rückt ins DSC-Tor und Daniel Bensch kommt nach beruflicher Abstinenz aus London zurück.
Die Liste der Neuzugänge wies weiterhin auch 15 Spieler der 2. Mannshaft und zwei A-Junioren auf, wobei ganz so trennscharf die Kader der beider Männermannschaften gar nicht mehr behandelt werden können. Auf Seiten der Abgänge stehen 16 Akteure. Diesmal also zumindest kein Komplettaustausch des Kaders, aber auch nur fast.
Auch in der DSC-Geschäftsstelle gibt es Veränderungen. Der langjährige Geschäftsführer Michael Krämer erhält die Kündigung – aus Sparzwang. Die Geschäftsstelle wird fortan ehrenamtlich geführt. Die SZ titelt passend dazu: „Abschied vom Leistungssport“ (Ausgabe vom 5. Juli 2004).
Die Vorbereitung ließ völlig offen wie stark der DSC-Kader ist und ob er in der Landesliga bestehen kann. Klar ist, dass es nur um die Beendigung der sportlichen Talfahrt gehen kann, ein Wiederaufstieg ist absolut illusorisch und kein Ziel. Ein Achtungszeichen setzte man aber im Testspiel gegen Oberligist FSV Zwickau, als Ronald Zorn nach 65 Minuten die Zwickauer Führung egalisierte und so den 1:1-Endstand besorgte. Andersherum ging die Generalprobe gegen Bezirksligist Radebeuler BC mit sage und schreibe 1:6 verloren. Dass sowas aber nicht immer etwas zu sagen hat, zeigt dann das erste Punkspiel. Im ersten Punktspiel der Landesliga gewinnt der Sportclub vor 215 Zuschauern gegen Gelb-Weiß Görlitz mit 3:1. Am zweiten Spieltag gibt es dann eine 1:2-Niederliga in Pirna-Copitz. Trotz zweifacher Unterzahl gelingt dem VfL dabei in der Schlussminute per Freistoß der Siegtreffer.
Es folgen drei Remis gegen Schiebock, bei Budissa Bautzen und gegen die Reserve von Dynamo Dresden. Gerade noch die Nummer 1 der Stadt und nun geht’s gegen die Zweite von Dynamo (und später auch die Reserve vom FV Dresden-Nord). So ist das halt. Gegen Bischofswerda erfreute man sich an 55 Gästefans, das Highlight der Saison bezogen auf die Zuschauer der Gästetruppen – dazu noch ein paar Zaunfahnen und Singsang. Die Reise nach Bautzen traten auch 55 Gästefans an, diesmal für den Sportclub. Nach dem 2:2 gab’s direkt am Fanbus noch ein unschönes Erlebnis mit der Polizei, welches für einen Schwarz-Roten im Krankenhaus endete (sogar der Rettungshubschrauber landete vorm Stadion). Das Auswärtsspiel bei Dynamo II fand dann aus Sicherheitsgründen Freitagabend im Harbig-Stadion statt – vor 250 Zuschauern (Dynamo I spielte parallel in Frankfurt). Eine 2:0-Halbzeitführung reichte nicht, am Ende hieß es 2:2.
Platz 9 nach 5 Spielen: okay. Es folgen zwei Niederlagen und man ist mitten drin im Abstiegskampf. Doch die Gemüter beim DSC erhitzt derweil vielmehr eine Entscheidung des Präsidiums bezogen auf den Landespokal. Der DSC hatte sein Heimrecht der Achtelfinal-Partie gegen den Oberligisten VfB Auerbach freiwillig abgegeben und hoffte auf mehr Zuschauer in Auerbach im Rahmen einer Flutlichtpartie am Mittwochabend und so auf mehr Einnahmen durch die Pokalregel der Einnahmenteilung. Auch die Abwesenheit von Torwart René Groß am Wochenende soll eine Rolle für die Verlegung gespielt haben. Fakt ist, die Fans waren völlig zurecht erzürnt, stieß man den verbliebenen Treuen so doch arg vor den Kopf. Von der sinkenden Viertelfinal-Chance ganz zu schweigen. Das Unterfangen ging dann auch gänzlich in die Hose. Mit 4:1 zog man klar den Kürzeren und das vor unfassbaren 301 Zuschauern. Das hätte man auch in Dresden schaffen können. Nur 14 DSC’er hatten noch Bock auf das „Spektakel“.
So galt der Blick voraus auf den 9. Oktober, welches zu einem Highlight der Heimspiele werden sollte. Anlässlich 60 Jahre Deutsche Meisterschaften 1943 und 1944 organisierte man ein großes Stadionfest und lud sich unter anderem eine Traditionself des Heidelberger SC ein. Wir erinnern uns an die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg: Die ehemaligen Spieler der SG Friedrichstadt wechselten zum Großteil nach West-Berlin und spielten dort in der Saison 1950/51 als Hertha BSC/DSC Berlin. Im Sommer 1951 wechselten die Spieler dann nach Heidelberg. Dort entstand der Dresdner SC Heidelberg. Neben dem Traditionsspiel gab es ein buntes Rahmenprogramm und eine schöne Choreo der DSC-Fans, was wohl auch die DSC-Kicker beflügelte. 242 Zuschauer wollten sich den 1:0-Heimsieg gegen den Tabellenführer vom FC Erzgebirge Aue II nicht entgehen lassen. Sebastian Eismann war der Schütze zum entscheidenden Tor während René Groß später noch einen Elfmeter parierte. Der Dank für die Idee und Mitorganisation geht unter anderem an Vereinsarchivar Andreas Tschorn. Es war ein Tag, an den man noch heute gern zurückdenkt.
In der Folge hält sich der DSC im hinteren Mittelfeld. Bei der 4:0-Pleite in Markleeberg gibt es dann aber lauthals Ärger. Die enttäuschten, mitgereisten Fans schimpfen auf alles und jeden, die Spieler haben auch nicht gerade ihren Tag so gibt es sogar Tränen vorm Fanblock. Ein Wachrüttler? Nein, es folgen drei Niederlagen, dann ein Remis, noch eine Niederlage und wieder ein Remis. Zur Saison-Halbzeit steht der DSC damit auf Rang 14 der Landesliga-Tabelle und hat nur noch den VfB Chemnitz und den VfB Zittau hinter sich. Das sah zuvor schonmal deutlich besser aus – aber nur zwei Punkte aus den letzten sieben Spielen sind natürlich viel zu wenig.
Zu Ende ist nicht nur die Hinrunde, sondern auch die Zeit von Dennis Begrow. Er machte auf dem schneebedeckten Platz in Bischofswerda sein letztes DC-Spiel und flog dabei nach neun Minuten mit Rot wegen Tätlichkeit vom Platz. Den 20-jährigen Stürmer, der 13 Jahre für den Sportclub aktiv war, zog es in der Winterpause für längere Zeit nach Australien. Zu Ende geht auch die Zeit der DSC-Geschäftsstelle an der Könneritzstraße. Der Standort wurde aufgelöst und zurück in die Steintribüne des Steyer-Stadions verlagert. Und zu Ende ist auch die Zeit eines ganz Großen beim DSC: Karsten Petersohn schmeißt im Dezember als Trainer der 2. Mannschaft hin. Grund sind Abstimmungsschwierigkeiten im Verein und extreme Personalnot in der 2. Männer – da macht sich der Neuanfang mit Spielern aus dem eigenen Kreis zu Lasten der 2. Mannschaft bemerkbar. Ein Bezirksklasse-Spiel in Königsbrück muss man gar kurzfristig absagen, weil nur 7 Spieler am Treff erscheinen. Bei seinem letzten Spiel gelingt Petersohn, der viele viele Jahre als Trainer und Co-Trainer im Männerbereich der 1898er aktiv war, immerhin ein 4:3 gegen die Reserve von Pirna-Copitz. In der Folge agiert Uwe Lichtenberger als Spielertrainer.
In der Winterpause gibt es einen Turniersieg im Rahmen des 8. Dresdner Hallenmasters des ESV Dresden. Bei dem beliebten Turnier setzt sich der Sportclub verdient ohne Niederlage durch, zittert sich mit Erfolgen im Neunmeterschießen gegen Bannewitz und die A-Junioren des FV Nord aber zum Siegerpokal.
Das neue Pflichtspieljahr beginnt durchwachsen und auch in den ersten drei Partien gibt es keinen Sieg. Da half auch ein packendes 3:3 bei der Zweiten von Chemie Leipzig nichts (2:0-DSC-Führung, Chemie dreht die Partie samt Damm-Eigentor, doch Roberto Schiwon erzielt in der 90. Minute per Fallrückzieher den Ausgleich). Daraufhin schmeißt Trainer Jens Wagner am Ostermontag 2005 hin: „Nach dem Spiel gegen den VfB Chemnitz kam ich zur Einsicht, dass die Klasse nicht zu halten ist. Wenn ich selbst nicht mehr an den Nichtabstieg glaube, will ich gegenüber den Spielern ehrlich sein. Der Abschied fällt mir alles andere als leicht, weil mir die Truppe ans Herz gewachsen ist.“, so Wagner gegenüber der Dresdner Neuesten Nachrichten. Die Routiniers Nikica Maglica und René Groß übernehmen das Training vorm Nachhol-Derby gegen Dynamos Amateure. Letztlich wird Maglica zum Spielertrainer ernannt und unterstützt von Nachwuchsleiter sowie A-Jugend-Trainer Andreas Pach. Das kleine Derby endet vor 767 Zuschauern im Steyer-Stadion, darunter etwa 450 Schwarz-Gelben, 1:3 aus Sicht der Friedrichstädter. Sonst passiert hier nichts Erwähnenswertes.
Einen lebenswichtigen Erfolg gibt es dann im Heimspiel gegen den VfB Zittau. Der eingewechselte Stürmer Willi Richter trifft in der 82. Minute zum goldenen Tor. Der DSC ist wieder Drittletzter, aber theoretisch können bis zu 5 Teams absteigen. Es folgt ein Auf und Ab mit einem wichtigen 2:0-Erfolg gegen Dresden-Nord II am viertletzten Spieltag. In der Woche nach dem Spiel wird bekannt, dass sich der Hausdorfer SV – auf Rang 9 liegend – aus der Landesliga freiwillig zurückzieht. Grund sind Verbindlichkeiten in fünfstelliger Höhe – man hatte kurz zuvor übrigens eine Fusion mit dem 1. FC Lok Leipzig abgelehnt. Bei inzwischen feststehenden vier Absteigern hat der Sportclub nun also gar zwei Punkte Vorsprung auf die Abstiegszone.
Einem 0:3 gegen den CFC II folgte das direkte Duell beim Drittletzten VfB Chemnitz. Es gibt eine umkämpfte Nullnummer und der DSC bleibt überm Strich. Am letzten Spieltag braucht der DSC mindestens einen Punkt, da der VfB Chemnitz zeitgleich 4:2 bei Sachsen Leipzig II gewinnt. Und gegen den SSV Markranstädt – damals noch ein netter eigenständiger Verein ohne die Nöte einer Prämie eines österreichischen Brauseherstellers – holen sich die Schwarz-Roten ein 3:2. Nach früher Führung durch Stephan Nuck und folgendem Ausgleich sind es Steglich und Bensch, die in Überzahl in der Schlussphase den Dreier klarmachen. 205 Zuschauer sehen den Klassenerhalt – im Saisonschnitt sind es 220 Zuschauer. Problem der Saison war die Offensive: nur 28 Tore in 30 Spielen sind der schlechteste Ligawert.
Die DSC-Zweite errang in einer schwierigen Saison immerhin den Klassenerhalt in der Bezirksklasse Staffel 3. Als Fünftletzter bleibt man dank eines Punktes und zwei Plätzen Vorsprung gegenüber Blau-Weiß Glashütte in der 7. Liga. 55 geschossene Tore in 30 Spielen sind übrigens fast doppelt so viele wie bei der DSC-Ersten.
Saison 2005/06 (Landesliga Sachsen)
Der Saisonbeginn ist von Peinlichkeiten und Missmanagement geprägt. Der Dresdner Sportclub kämpft seit Loslassen der halbwegs professionellen Strukturen mit der eigenen Struktur und wird im lokalen Umfeld gerne mit einem Chaos-Club gleichgesetzt. Die ersten beiden Testspiele fallen ins Wasser, weil der DSC nicht genügend Spieler zur Verfügung hat. Oberligist Oberlausitz Neugersdorf erfährt die Absage erst durch die Medien. Bis auf den 1:0-Erfolg gegen FV Dresden-Nord läuft die Vorbereitung sehr durchwachsen.
Der Kader bleibt halbwegs zusammen, dennoch wiegen die Abgänge von Alexander Anoschkin, Martin Mikolayczik, Petr Neckar und Roberto Schiwon schwer – bei nur einem externen Neuzugang (Mario Pabst aus der Bezirksklasse) sowie einigen A-Jugendlichen.
Ansonsten darf sich der DSC 1898 nun einen Meisterstern mit einer „2“ im Inneren ans Trikot heften. Dies erlaubt der Deutsche Fußball-Bund fortan allen Titelgewinnern vor 1963. Schatzmeister Rudolf Hadwiger genehmigte die Kosten fürs Beflocken und schon war der Stern auf dem Trikot – ein Trikotsponsor fehlte dafür aber. Der 22-jährige Stefan Steglich durfte der Öffentlichkeit und den Medien das alte Trikot mit neuem Meisterstern präsentieren.
Die Saison beginnt dann äußerst mäßig für einen zweifachen Deutschen Meister: Niederlagen gegen Fortuna Chemnitz und Bischofswerda folgt ein desaströses 1:6 gegen die Zweitvertretung von Erzgebirge Aue. Erst am 5. Spieltag gelingt der erste Erfolg – in den Schlussminuten drehen Nikica Maglica per Foulelfmeter und Jovan Vasilev die Partie zu einem 3:2-Sieg. Zwischendurch wurde im Sachsenpokal noch vor 459 Zuschauern im Gehege mit 0:3 gegen Regionalligist Chemnitzer FC verloren.
Wie es weitergeht? 1:4 im Derby bei Dynamo II, 0:5 gegen Markranstädt, 0:3 gegen Sachsen Leipzig II und 0:6 vor 585 Zuschauern im Steyer-Stadion gegen den FSV Zwickau. Da tat einem der junge DSC-Torwart Felix Gottschalk leid, der den verletzten Routinier René Groß schon für einige Spiele ersetzte. Ein klarer letzter Platz mit 3 Punkten aus neun Spielen. Das war das Aus für Trainer Nikica Maglica. Dies entschied das Präsidium gemeinsam mit Maglica. Seine Nachfolge tritt Co-Trainer Andreas Pach an. Als Spieler machte Maglica aber weiter. Derweil verkündete Groß, dass er nicht mehr ins DSC-Tor zurückkehren wird – später dribbelte er in der 2. Mannschaft nochmal als Feldspieler auf. Die Zweite steigt am Saisonende dennoch als Drittletzter ganz klar in die Stadtliga ab. 23 Punkte aus 30 Spielen sind genau 13 Punkte zu wenig für den Klassenerhalt. Im Sommer hatte übrigens Jens Wagner die Zweite als Coach übernommen.
Zwei Remis folgte erst im Dezember beim 3:0 bei Stadtnachbar Laubegast der zweite Saisonsieg. Zur Winterpause liegt der DSC nach 15 Spielen mit acht Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz.
Viel schwerer wiegt allerdings der 18. November 2005. An jenem Freitag stellte der DSC Fußball 98 den Insolvenzantrag beim Amtsgericht. Ursächlich sind nicht lösbare Zahlungsschwierigkeiten mit der Landeshauptstadt Dresden. Der eingesetzte Insolvenzverwalter Jan Gärtner bestätigte, dass die Stadt eine Summe von rund 108.000 Euro fordere. Das erste Spiel nach dem Insolvenzantrag – am Tag danach – war die Partie beim Chemnitzer FC II im Chemnitzer Sportforum (1:1). Die 17 DSC-Fans unter 55 Zuschauern diskutierten hier aber eher über die Zukunft des Sportclubs als dem gar nicht so schlechten Spiel zu folgen.
Die Saison war damit sportlich gelaufen und egal. Ab sofort ging es nur noch um die Existenz des Vereins. Es stand die wohl schwierigste Zeit in der Geschichte des Dresdner Sportclubs an. Der Sportausschuss der Stadt Dresden diskutierte schon darüber, an welche Vereine die DSC-Nachwuchsmannschaften überführt werden könnten. Währenddessen sondierte der Insolvenzverwalter Jan Gärtner die Situation und Verbindlichkeiten. Es ging in dieser Phase darum, ob ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann oder mangels Masse abgelehnt wird. In ersterem Fall stünde der DSC als Absteiger fest, könnte aber auf ein erfolgreiches Insolvenzverfahren mit anschließendem Neustart hoffen. Im anderen Fall wäre es das gewesen um den Verein DSC Fußball 98.
Zugleich schufen eine Reihe an treuen Fans und ehrenamtlichen Helfern, die schon lange den Weg des DSC begleiten, einen Auffangverein – zur Sicherheit. Bereits am 25. November, also genau eine Woche nach Insolvenzantrag, wurde dafür der „Dresdner Sport-Club Friedrichstadt e.V.“ gegründet. 31 Gründungsmitglieder waren anwesend und legten die Satzung fest. Als Vorstandsmitglieder wurden Ralf Meyer, Andreas Tschorn, Jochen Oesterreich und René Sobkowiak gewählt. Der neue Verein verstand sich als Auffangbecken und sollte erst in Erscheinung treten, wenn das Insolvenzverfahren des DSC Fußball nicht eröffnet werden kann. Allerdings hofften die Gründungsmitglieder natürlich auf eine Zukunft des DSC F98 und dass der neugegründete Verein nie gebraucht wird. Dennoch ein Wahnsinn, in welchem Tempo die Vereinsgründung vonstattenging. Bedenkt man vor allem, dass dafür ja eine gewisse Mobilisation an Mitgliedern und die Ausarbeitung einer passenden und auch rechtlich sauberen Satzung notwendig ist. Am 2. Dezember wurde der neue Verein unter der VR-Nummer 4623 ins Vereinsregister aufgenommen.
Insolvenzverwalter Jan Gärtner sagte dazu im Dezember 2005 gegenüber den DSC-Online-Team: „Ich biete dem DSC-Friedrichstadt gemeinsam mit dem Präsidium offene Gespräche für ein Miteinander an. Bisher habe ich keine Kenntnis davon, dass der DSC Friedrichstadt sich gegen die Bemühungen des DSC Fußball 98 e.V. um einen Neuanfang stellt. Solange gehe ich davon aus, dass beide das Ziel eint, die lange und erfolgreiche Fußballtradition der Friedrichstadt zu erhalten.“
Es beginnt damit die Übergangszeit vom alten Präsidium zu einem neuen Team. Das Team um Lutz Hiller, Bernd Engst und Schatzmeister Rudolf Hadwiger war die vergangenen Jahre in der Verantwortung – quasi seit dem Abgang von Thomas Dathe. Vieldiskutiert wurde diese Zeit des Absturzes. Definitiv zugutehalten muss man dem Dreigespann aber, dass sie sich nicht aus der Verantwortung gestohlen haben, sondern auch in den schweren Zeiten zum DSC standen und versucht haben, das sinkende Schiff wieder auf Kurs zu bringen. Sicherlich hätte man sich aber mehr Hilfe aus dem Umfeld des DSC holen können, um die Arbeitslast zu verteilen und neue Impulse zu setzen.
Mit einigen Jahren Abstand stellt sich zudem die Frage, ob eine Insolvenzanmeldung nicht schon eher klug gewesen wäre. Vermutlich schon im letzten Regionalligajahr oder in der Oberligasaison. Der Schuldenberg, den man im Rücken hatte, in Verbindung mit den rapide sinkenden Einnahmen durch den sportlichen Absturz erzeugten eine nicht lösbare Situation. Die Abwärtsspirale drehte sich so von Jahr zu Jahr weiter. Vielleicht hätte ein Schnitt und Neuanfang wesentlich eher den Komplettabsturz vermeiden können. Aber all dies ist reine Theorie. In der jeweiligen Situation hoffte ja auch der Letzte im Umfeld des DSC, dass man die Klasse jeweils noch irgendwie hält und die Kurve bekommt. Nun Ende 2005 war dies aber alles Makulatur und man stand in der Friedrichstadt vor einem großen Scherbenhaufen.
Es begann eine Zeit der Ungewissheit. Vize-Präsident und Schatzmeister Rudolf Hadwiger sagte gegenüber der SZ: „Wir haben gesagt, dass wir einem Neuanfang des Vereins nicht im Wege stehen. Wir werden den Sportfreunden, die künftig Verantwortung übernehmen wollen, in der Übergangsphase mit Rat und Tat zur Seite stehen.“ Es folgten in der Winterpause verschiedenste Treffen und wurde viel gesponnen, wie es weitergehen könne. Dabei erlebten einige Fans und Verantwortliche die komplette Bandbreite zwischen völliger Verzweiflung samt Hoffnungslosigkeit bis hin zu Signalen, die kleine Hoffnungsschimmer am Horizont aufkeimen ließen wie beispielsweise auch das Engagement des neugegründeten DSC Friedrichstadt. Im Kontext mit dem laufenden Insolvenzverfahren, Verpflichtungen und Absprachen mit der Stadt Dresden sowie den Verbänden war die Gemengelage aber äußerst diffizil. Da hilft auch ein neugegründeter Verein nicht so einfach weiter, wenn damit viele Fragen einhergehen, ob dieser für die Zukunft anwendbar sein kann.
In der Winterpause konnte der DSC mit einem Sieg beim 9. Dresdner Hallenmasters des ESV Dresden zumindest für eine kurze positive Ablenkung sorgen.
Mit Jahresbeginn 2006 zeigte sich dann, dass die Insolvenzabweisung mangels Masse wohl kein Thema mehr ist. Dafür bildete sich ein Kompetenzteam, welches mit dem Insolvenzverwalter und „Alt-Präsidium“ an einer neuen Zukunft arbeiteten. An der Spitze des Kompetenzteams fungierte mit Marcus Zillich ein Spieler, zugleich damaliger Geschäftsführer des Sportcenters XXL. Zillich begründete sein Engagement im Februar 2006 gegenüber der Sächsischen Zeitung: „Ich habe dem Verein viel zu verdanken“. Neben ihm engagierten sich Trainer Andreas Pach, Kai Lohmann (Finanzen) und Manger Torsten Mönch, der erst seit kurzer Zeit beim DSC aktiv wurde und sich als sportlicher Berater bzw. Manager positionierte.
Sportlich war die Zeit ein Auf und Ab. Überraschungssiegen und guten Spielen folgten Debakel wie das 1:6 gegen Dynamo Dresden II, das 1:8 gegen den SSV Markranstädt oder ein 0:5 in Bischofswerda teils kämpfte die Mannschaft trotz Perspektivlosigkeit aufopferungsvoll, teils fiel das Kartenhaus komplett in sich zusammen.
Dass es eine absolut dunkle Zeit für den Fußball beim DSC ist, verstand auch die Natur und verbreitete Ende März / Anfang April ebenfalls Weltuntergangsstimmung. Es bahnte sich dreieinhalb Jahre nach der Jahrhundertflut ein erneutes Hochwasser der Elbe an. Am 30. März erreichte der Elbpegel die Trainingsplätze im Ostragehege. Das Stadion konnte mit Sandsack-Wällen verbarrikadiert und geschützt werden. Durchsickerndes Wasser wurde abgepumpt. Mit 7,49 Metern Scheitelwasserstand am 4. April 2006 war es eine der höchsten Fluten seit Messbeginn. Die Schäden im Ostragehege waren letztlich kleiner als 2002, aber die gesamten Trainingsplätze sollten erneut für einige Zeit gesperrt bleiben. Für die vielen DSC-Kicker eine insgesamt sehr bescheidene Situation, die auch mit dazu führen sollte, dass sich im Nachwuchs diverse Lücken bilden sollten, die den Verein in der Zukunft begleiteten.
Gegen Spitzenreiter FSV Zwickau verlor man dann auswärts vor offiziell 1.007 Zuschauern mit 0:4 – nur noch sechs DSC-Fans wollten sich das noch anschauen und sahen zumindest einen gehaltenen Elfmeter von DSC-Goalie Stefan Horn und einen Platzverweis für Ronald Zorn. Es begann eine Zeit mit immer weiter sinkendem Zuschauerinteresse. Aber es ging ja auch quasi um nichts mehr – nur noch ums nackte Überleben des Vereins. Nach Görlitz reisten nur noch drei Schwarz-Rote. Der absolute Tiefpunkt war dann der 14. Mai mit einer 0:7-Niederlage zu Hause gegen die Reserve des Chemnitzer FC. Das Spiel fand vor 45 gezählten und 19 zahlenden Zuschauern statt, darunter drei Gäste.
Dabei war es bereits eines der „wertlosen“ Spiele, ein Pflichtfreundschaftsspiel. Denn am 25. April 2006 eröffnete Insolvenzverwalter Jan Gärtner das Insolvenzverfahren (Aktenzeichen 554 IN 3302/05), welches am 18.11.2005 vom DSC-Präsidium beantragt worden war. Der Sportclub stand damit nun auch offiziell als Absteiger fest. Alle Spiele wurden annulliert und aus der Wertung genommen. Der DSC stand automatisch mit 0 Punkten am Tabellenende. Das Nachholspiel am 26. April gegen Sachsen Leipzig II (2:5) fand offiziell noch nicht als Pflichtfreundschaftsspiel statt, dies betraf dann erst drei Tage später die Partie gegen Pirna-Copitz (0:1). Würde man diese Spiele nicht bestreiten, müsste man nach der Saison als Strafe gleich zwei Ligen absteigen. Der erste wertlose Sieg gelang am 7. Mai beim 1:0-Erfolg bei der Zweiten vom FV Dresden-Nord. Robert Gläsel besorgte das Tor des Tages für die mit nur 11 Mann angereisten Friedrichstädter.
Über den Wert dieser Spiele muss man nicht lange fabulieren. Nach Markkleeberg reiste der DSC erneut mit nur elf Spielern. Auf dem Spielformular trug sich Mannschaftsleiter Bernd Lehmann noch als Wechsler ein, verzichtete dann aber nach der Verletzung von Nikica Maglica nach 15 Minuten auf eine Einwechslung. Der DSC spielte also in Unterzahl weiter gegen wenig motivierte Gegner, die dennoch 7:1 gewannen, in der zweiten Halbzeit aber mehrere Gänge zurückschalteten. Das letzte Saisonspiel in der Landesliga sollte aber nochmal ein kleines Highlight werden – nicht sportlich, denn das Spiel endete mit 1:6 aus Sicht des DSC. Aber ein Fanbus mit immerhin 39 Sportclub-Fans machte sich auf den Weg nach Naunhof, wo sich standesgemäß bei netten Gastgebern mit einer ordentlichen Portion Pyrotechnik aus der Landesliga verabschiedet wurde. Tom Stephan erzielte drei Minuten vor Abpfiff übrigens den vielumjubelten ‚Anschlusstreffer‘. Für Naunhof gings am Ende dank des schlechteren Torverhältnisses gegenüber Fortuna Chemnitz ebenso runter in die Bezirksliga, während der FSV Zwickau mit drei Punkten Vorsprung vor Dynamo Dresden II den Aufstieg in die Oberliga packte.
Mit der Verfahrenseröffnung begann erneut eine ungewisse Zeit, denn bei einem Scheitern des Verfahrens würde der DSC F98 aus dem Vereinsregister gelöscht werden müssen. Erneut bangte also jeder treue DSC’er wie es zukünftig weitergehen mag. Der Schuldenstand türmte sich derweil auf ‚weit mehr als eine Million Euro‘. Vor der Saison sprach Schatzmeister Rudolf Hadwiger noch von Altverbindlichkeiten in Höhe von rund 200.000,- Euro und einem geplanten Saisonetat von rund 110.000,- Euro (70 T€ Männer / 40 T€ Nachwuchs), bei dem ein Teil noch nicht gedeckt sei. Wer diese Zeit beim DSC mitgemacht hat, ist definitiv geprägt. Es gilt die Empfehlung, diese Erinnerungen immer parat zu halten. Denn die Angst, seinen Verein komplett zu verlieren, lässt vieles andere in den Hintergrund rücken und das eigene Vereinsherz auf das Wesentliche bestimmen. Lasst uns aus dieser Erfahrung lernen, sie nicht vergessen und in Zukunft weiter ordentlich arbeiten – ohne Hirngespinste oder abgefahrene Investoren. Die langfristige Sicherung der Vereinsexistenz steht über allem.
Wie es mit dem Insolvenzverfahren und der Neuordnung beim DSC weitergeht, erfahrt Ihr dann demnächst im nächsten Teil unserer Geschichts-Serie.