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Rückblick: 75 Jahre Skandalspiel der SG Friedrichstadt gegen Horch Zwickau

Rückblick: 75 Jahre Skandalspiel der SG Friedrichstadt gegen Horch Zwickau

Heute vor genau 75 Jahren – am 16. April 1950 – wird die ZSG Horch Zwickau erster DDR-Fußballmeister. Im entscheidenden Finalspiel setzen sich die Zwickauer gegen die SG Friedrichstadt, Nachfolger des Dresdner Sport-Club, durch. Wir blicken zurück.

Die Vorgeschichte: Das Ende des 2. Weltkrieges

Mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 ist sämtlichen deutschen Sportvereinen jegliche Betätigung verboten. Am 30. Mai 1945 wird der Dresdner SC durch die neue Stadtverwaltung Dresdens enteignet und am 30. Juni 1945 formal aufgelöst. Letzter Schritt ist im Oktober 1946 die Löschung aller Dresdner Sportvereine aus dem Vereinsregister.

In der Folge entstehen lokale Sportgruppen. Im Jahr 1947 wählen 300 Mitglieder (davon etwa 250 ehemalige DSCer) erstmals einen Vorstand. Aus der auf den Stadtteil bezogenen Sportgruppe wird nun eine von Mitgliedern getragene Sportgemeinschaft, die SG Friedrichstadt. Der stellvertretende Gemeinschaftsleiter Alexander Schreiber schreibt in einem Brief nach Westdeutschland: »Der alte Club wird wieder auf die Beine gebracht und marschiert zur Zeit als SG Friedrichstadt. Der Name ist heute nicht das Wichtigste. Einmal werden auch wir wieder DSC heißen.«

Die Sportgemeinschaft Friedrichstadt

Die SG Friedrichstadt tritt in der Stadtliga bzw. Bezirksliga Dresden an, was jeweils die klassenhöchste Liga darstellt. Im Jahr 1949 gelingt die Sächsische Meisterschaft und Platz 6 in der zweiten ausgetragenen Ostzonenmeisterschaft, quasi die Endrunde um den Titel in der sowjetischen Besatzungszone. Mit Spielertrainer Helmut Schön geht es dann in die Saison 1949/50. Diese wird erstmals als DDR-weite höchste Spielklasse, der »DS-Liga«, ausgetragen. Es ist die höchste Liga unter der Regie des in der Sowjetischen Besatzungszone gegründeten »Deutschen Sportausschusses« (DS). Und es ist der Vorläufer der DDR-Oberliga, wie die Liga ab der Folgesaison genannt wird. Da sich am 7. Oktober 1949 die DDR gründet, ist die Saison zugleich der Kampf um die erste Fußballmeisterschaft der Deutschen Demokratischen Republik.

Das Skandalspiel

Unter den 14 Mannschaften, die um den Titel kämpfen, kommt es am letzten Spieltag zum direkten Duell der punktgleichen SG Friedrichstadt sowie dem Zweiten ZSG Horch Zwickau. Das Spiel am 16. April 1950 mobilisiert die Massen – 60.000 Zuschauer bevölkern das Heinz-Steyer-Stadion im Dresdner Ostragehege, darunter auch 4.000 Gästefans aus Zwickau. Weitere 40.000 Menschen, die nicht mehr in das Stadion dürfen, warten vor den Eingängen. Die SG Friedrichstadt hat mit durchschnittlich 28.000 Zuschauern übrigens die meisten Fans und auch mehr als das Doppelte des gesamten DDR-Oberliga-Schnitts. Obwohl das Spiel erst um 15:30 Uhr beginnen soll, ist der Stadionvorplatz bereits um 8 Uhr morgens überfüllt. Einige Anhänger übernachten sogar vor dem Stadion, um sich einen Platz zu sichern. Das Spiel geht als Skandalspiel in die Annalen der Fußballgeschichte ein.

Die Schiedsrichterleistung des Schönebeckers Willi Schmidt ist bei den Dresdner Fußballanhängern äußerst umstritten. Ob der Schiedsrichter auf Anweisung der Staats-Oberen handelte, lässt sich nicht beweisen. Einigkeit über die miserable Leistung des Unparteiischen besteht dennoch. Der Friedrichstädter Mittelstürmer Kurt Lehmann gibt zudem zum Besten, ein Gespräch zwischen Schiedsrichter-Obmann Gerhard Schulz und dem Spielleiter belauscht zu haben, indem die Anweisung erteilt wurde, pro Zwickau zu pfeifen, was der bekanntermaßen robusten Spielweise der Zwickauer sehr entgegen kommt. In der Folge muss Kapitän Hans Kreische nach Foul verletzt den Platz verlassen. Auswechslungen gibt es noch nicht, so dass die Schwarz-Roten ab Mitte der ersten Hälfte in Unterzahl spielen müssen. Zwischenzeitlich spielt die SGF gar nur zu Acht gegen die Gäste der Zentralsportgemeinschaft. Spielertrainer Schön gibt nach dem Spiel dennoch zu: »ZSG Horch Zwickau war unbestreitbar die bessere Mannschaft. Wir reichen unseren Zwickauer Kameraden die Freundeshand!«

Schon während der Partie muss die Staatsmacht Verstärkung anfordern und Zuschauer zurück auf die Tribünen drängen. Die anschließende Ehrung der Zwickauer als 1. DDR-Meister verhindern die Zuschauer. Es gibt Ausschreitungen und die Zwickauer Spieler müssen Schläge der aufgebrachten Menge einstecken.

Der Sportführung der DDR ist die SG Friedrichstadt ein Dorn im Auge, gilt diese doch als bürgerlicher Verein, als Repräsentant vergangener Tage. Die Friedrichstädter weigern sich bis dato, in das neue System der Betriebssportgemeinschaften eingegliedert zu werden.

Auch das Antreten in weißen Trikots mit dem Emblem des von den Alliierten verbotenen Dresdner SC ist eine Provokation. Die Ausschreitungen sind für den Staat der Vorwand, die SG Friedrichstadt aufzulösen. Kapitän Kreische meint: »Wir wurden jedenfalls mächtig verschaukelt. Man wollte uns damals nicht als Meister, weil wir als bürgerlicher Verein galten, als Nachfolger des berühmten Dresdner SC.« In der Zeitung »Vorwärts« heißt es dazu: »Die Vorfälle sind vorüber, aber noch nicht vergessen. Die fanatischen DSC-Anhänger werden sich wahrscheinlich damit abfinden müssen, dass sie für längere Zeit ihre Mannschaft nicht mehr im Heinz-Steyer-Stadion sehen können. Wahrscheinlich bis zu dem Tag, da auch der Letzte endlich begriffen hat, dass Skandalszenen auf dem Fußballplatz von der demokratischen Sportbewegung mit der Schärfe geahndet werden, die sie im Interesse des Sports verdienen.«

Der Staat zwingt die SG Friedrichstadt im Frühjahr 1950 zur Selbstauflösung. Auch der Versuch einer Neugründung als »Dresdner Sport-Centrum Eisenbahn « wird unterbunden. Der Weg der DSC-/SGF-Mannschaft mündet anschließend in einer Flucht nach Westberlin und er Gründung der Spielgemeinschaft Hertha Berliner Sport-Club/Dresdner Sport-Club!

Die Spiel-Statistik

Tore: 1:0 Lehmann (3.), 1:1 Satrapa (9.), 1:2 Heinze (24.), 1:3 Meier (43.), 1:4 Lehmann (48., Eigentor), 1:5 Heinze (67.)
Zuschauer: 60.000 (Heinz-Steyer-Stadion)
Besonders Vorkomnis: Friedrichstadt ab Mitte der Ersten Hälfte in Unterzahl (Kapitän Kreisch kann aufgrund einer Knieverletzung nicht weiter spielen – es gibt noch keine Einwechslungen)
Schiedsrichter: Willi Schmidt (Schönebeck)

Video-Tipp
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